Omas Handtücher retten einen Monitor

Was sollte man lieber nicht online kaufen und sich zuschicken lassen? Genau, alles was empfindlich oder leicht zerbrechlich ist. Alte, gebrauchte Röhrenmonitore zum Beispiel. Auf eBay zum Beispiel. Was hab' ich mir trotzdem Zerbrechliches bei eBay gekauft und zuschicken lassen? Genau, ... Nun würden manche wohl sagen, dass der Fehler bereits damit beginnt, überhaupt noch Geld für so völlig veraltete Technik auszugeben - aber das ist ein anderes Thema. 😅 Das Problem bei solchen Gebrauchtkäufen von privat ist vielmehr, dass die meisten Leute nicht fähig oder willens sind, Elektronik sorgfältig zu verpacken. Da wird dann schon mal die ehemalige High-End-Grafikkarte in Zeitung einschlagen wie toter Fisch, oder die Vintage-Kamera komplett ungepolstert der gnadenlosen Tortur kostenoptimierter Paketzustellung überlassen. Entsprechend ramponiert kommt so was dann an. Und entsprechend habe ich einkalkuliert, bei diesem Kauf möglicherweise nur einen Scherbenhaufen zu erhalten. Wenn der Preis stimmt, kann man das ja mal riskieren, denn zur Not könnte man auch immer noch ein Aquarium aus dem Monitor basteln. Wäre auch mal ein nettes Projekt. Aber obgleich das Paket auf einer Seite verhängnisvoll eingedrückt bei mir ankam, blieb dieser Monitor überraschend unversehrt und wohlbehalten. Dank Omas Handtüchern. Zumindest vermute ich einfach mal, dass des Verkäufers Großmütterchen vielleicht ins Altersheim oder auf den Friedhof umgezogen ist. Und bei der Haushaltsauflösung wurde der olle Monitor dann mangels anderem Auspolstermaterial eben mit Omas Frotteehandtüchern und Bettlaken für Verkauf und Versand eingewickelt. So könnte es gewesen sein. Jedenfalls überstand das gute Teil die Reise weichgebettet und wohlduftend:
Röhrenmonitor in Verpackung
Wenn man ein Paket öffnet und es nach Omi-Waschmittel riecht 🤣
Und neben einem schönen Röhrenmonitor bin ich somit nun auch stolzer Besitzer einiger geschmackvoll gemusterter Handtücher, die mir vielleicht noch nützlich sein können, wenn beim Bau einer Wasserkühlung mal was daneben kleckern sollte. Oder falls die Vogonen in meinem Vorgarten landen.

The Internet: Der DIY-Modem-Einwahlservice

Neues aus dem Bastelkeller: ich habe mir meinen eigenen Dial-up Internet Service gebaut.
Das Internet als Blackbox
Na, wer erkennt die Anspielung hier?
So unscheinbar es aussehen mag, aber diese kleine Black Box enthält ein Modem, einen Minicomputer und eine Telefonanlage. Die Idee war, sich mit einem PC per Modem "ins Internet einwählen" zu können wie anno dazumal - mitsamt der entsprechenden Geräuschkulisse für extra Nostalgiebonus. 😎 Allerdings gibt es seit dem Breitbandausbau in Deutschland quasi keine Einwahlprovider mehr und außerdem soll der Spaß ja auch keine Telefonkosten verursachen. Also Selbermachen. Das Konzept dabei ist folgendermaßen:
Konzeptzeichnung
Ein Raspberry Pi Minicomputer hat über WLAN Zugang zum Internet. Über einen USB-Adapter ist er mit einem alten Telefonmodem verbunden. Wählt ein Windows-PC über sein Modem das Modem des Raspberry Pi an, so soll dieses den Anruf annehmen und der Raspberry Pi soll über seine WLAN-Schnittstelle Zugang zum Internet gewähren. Nun kann man aber nicht einfach zwei Modems per Kabel miteinander verbinden. Es braucht ein Telefonnetz mit den richtigen Spannungspegeln, Freizeichen, Rufsignal, etc. Wer überhaupt noch analoge Telefonanschlüsse hat, könnte hierfür die heimische Telefonanlage bzw. Fritzbox verwenden. Aber weil ich es gerne unabhängig von der Hausinstallation wollte, übernimmt den Part des Telefonnetzes in diesem Projekt eine Eumex 504. Eigentlich eine ISDN-Anlage, aber mit vier Nebenstellenanschlüssen für Telefone/Modems, die sich auch untereinander anrufen können, ohne dass es dafür eine Verbindung von der Eumex in die weite Welt bedarf. Zuerst jedoch habe ich das Modem für den Raspberry Pi von seinem Gehäuse befreit und in ein etwas geräumigeres Leergehäuse gepackt:
Modemplatine in Leergehäuse
Praktischerweise kann man sich von der Modemplatine 5V für den Raspberry Pi abzwacken, so dass dieser kein eigenes Netzteil benötigt:
5V-Versorgung des Pi von der Modemplatine aus
Damit in das Gehäuse neben Modem und Raspberry Pi auch noch die Platine der Eumex-Telefonanlage hineinpasst, musste ich diese ein kleines bisschen anpassen: erst musste die Buchse für ISDN abgelötet werden (braucht es eh nicht mehr) und dann, mit ruhiger Hand und 100% Konzentration in einer kleinen Operation an den Ecken noch ein paar Stücke Platinenmaterial wegsägen. Natürlich nur da, wo keine Leiterbahnen verlaufen. Die Operation glückte jedenfalls und nun fand alles seinen Platz:
Alle Elektronik in das Gehäuse gezwängt
Beim ersten Probelauf der Elektronik im neuen Gehäuse kam allerdings keine Verbindung zustande zwischen dem Pi-Modem und einem einwählenden Windows-Modem. Nach einiger Fehlersuche war das Problem dann klar: das Modem für den Raspberry Pi hatte ich nur mit Sende- und Empfangsleitung (TX & RX) an der seriellen Schnittstelle des Pi angeschlossen. Benötigt werden aber auch die anderen Signale einer RS232-Verbindung (DTR, RTS, CTS, ...). Also bekam der Pi für den Anschluss an sein Modem noch einen vollwertigen USB-nach-RS232-Adapter spendiert:
USB2RS232-Adapter ohne Gehäuse
Dieser Adapter passte allerdings nur nach Entfernen seines Gehäuses und Steckers noch zwischen Modemplatine und Eumexplatine. Und beim Ablöten des Steckers habe ich prompt ein paar von dessen Lötpads von der Platine abgerissen. 😬 Zur Verbüßung dieser Untat war ich also anschließend noch eine gute Weile mit Lupe und Fädeldrahtlöterei zum Reparieren dieses Malheurs beschäftigt. 🙈😅 Softwareseitig ist das Projekt weit weniger aufwändig und basiert im Wesentlichen auf mgetty, PPP und iptables. Wer mag, kann ja mal ChatGPT fragen, wie man das einrichtet. So habe ich es nämlich auch gemacht. Jedenfalls hat es dann mit dem USB-Adapter funktioniert, und wenn ich nun den Windows-Rechner mein Fake-AOL wählen lasse, Einwahldialog bei Windows XP dann komme ich ins Internet wie anno dazumal. Einwahldialog bei Windows XP So einfach geht das. 🤣 Da die Eumex vier Anschlüsse für Telefone oder Modems hat und ja nur einer für das Pi-Modem gebraucht wird, werde ich die anderen drei nun noch nach außen führen, so dass man bis zu drei alte PCs via Modem anschließen kann (wobei natürlich nur jeweils einer so online gehen kann). Oder man schließt noch zwei Telefone an, für maximales "vintage Teamspeak" auf einer LAN-Party ☎😎

Faszination Röhrenradio

Blick über die beleuchtete Frequenzskala eines alten RöhrenradiosDas das warme Licht der Skala, bedeutsam mit Städtenamen der halben Welt beschriftet, das leise Knistern aus dem Lautsprecher, geheimnisvolle Schalter und Regler, umgeben von dunklem polierten Holz, reich verziert mit geschwungenen Zierleisten und Intarsien - was strahlt so ein altes Radio nicht für eine mystische Pracht und Würde aus! Jedes einzelne Detail wirkt, als spräche das Radio nicht nur zu den Ohren, sondern direkt zur Seele. Fast scheint es, als flüstere es eine Einladung, an all seinen Knöpfen zu spielen und zu drehen. So in etwa muss man sich die Wirkung vorstellen, die es vor langer Zeit auf einen kleinen Lausbub hatte, wenn er Oma und Opa besuchen kam und da so ein Röhrenradio im Wohnzimmer stand. Diese Faszination sollte bis heute ununterbrochen bleiben und so kommt es, dass ich mir neulich ein altes Röhrenradio über Kleinanzeigen zugelegt habe. Ein Graetz Musica 517 aus dem Jahr 1957:
Graetz Musica 517
Und obgleich fast 70 Jahre alt, funktionierte auf Anhieb noch jede Funktion. Mit viel Rauschen und gedämpftem Ton zwar, aber es funktionierte. Welches technische Gerät aus Baujahr 2025 wird wohl in 70 Jahren noch so treu und tapfer seinen Dienst tun? E-Autos, Computer, Smartphones etwa? Oder die Waschmaschine? Der Kühlschrank? Sicherlich nichts davon. Dieses Stück Technikgeschichte aus der Adenauer-Ära aber könnte all das noch überdauern. Und damit dies sicher gelingt, habe ich alle alten Elektrolytkondensatoren ausgetauscht. Damals wurden, dem Stand der Technik entsprechend, noch Papierkondensatoren verwendet, die gegen Feuchtigkeit mit Teer versiegelt waren. Im Lauf der Zeit wird der Teer hart und spröde, die Kondensatoren ziehen Feuchtigkeit und weichen von ihren Sollwerten ab. Zudem sinkt ihr Gleichstromwiderstand und dann könnte es sowohl für die Elektronik des Radios als auch für seine ganze Umgebung brandgefährlich werden. Darum sollte man niemals ein Röhrenradio vom Flohmarkt oder Dachboden/Keller in Betrieb nehmen - geschweige denn unbeaufsichtigt laufen lassen. Außer zum ganz kurz mal am Trenntrafo testen.
Papierkondensatoren aus einem Röhrenradio
Alte Kondensatoren aus dem Radio. Kein einziger entsprach noch der aufgedruckten Kapazität.
Obwohl es eigentlich nicht viele Kondensatoren waren, war ich mit der Austauschaktion einen ganzen Tag beschäftigt, denn die Zugänglichkeit bei der "Freiluftverdrahtung" ist arg eingeschränkt und man muss stets penibel darauf achten, im ganzen Chaos nicht durch Umbiegen von Drähten irgendwo einen Kurzschluss zu verursachen:
Blick in das Innenleben eines Röhrenradios mit freiliegendem Verdrahtungschaos
Und wenn man das Radio ohnehin zur Überholung öffnet, bietet sich außerdem die Gelegenheit, den Staub der Jahrzehnte gründlich zu entfernen.
Blick in das Innenleben eines Röhrenradios mit Staub auf Drehkondensator und Elektronik
So sah es vorher im Radio aus.
Nun, da das gute Teil wieder glänzte wie in alten Zeiten und nicht mehr drohte, sich spontan in Brand zu setzen, habe ich noch ein kleines Extra aus dem 21. Jahrhundert eingebaut: einen Bluetooth-Empfänger am Plattenspielereingang. Ein - zugegeben - schrecklich popeliges Noname-China-Teil, so eines, welches beim Einschalten seine Bereitschaft in allerfeinstem Oxford-English herumplärrt ("Se bluetoos devais is rädy to päär"). 😅 Der absolute Gegensatz also bezüglich Wertigkeit, Machart und Charme und ein Stilbruch ohnegleichen, aber von außen sieht man davon nichts und so kann man nun immerhin vom Handy oder PC aus Musik auf das Röhrenradio streamen. Und jetzt schimmert, glüht und tönt sie wieder, die Musica.
Graetz Musica 517 eingeschaltet

Besuch im Nixdorf-Computermuseum

Kürzlich war ich in Paderborn im Nixdorf-Computermuseum. Das wird jetzt ein sehr bildlastiger Artikel, darum erst mal Fotos und dann ein paar weise Worte zum Schluss:
Früher Sitz der Nixdorf-Hauptverwaltung, ist das Museumsgebäude heute fast schon selbst eine Attraktion.
Die Ausstellung beginnt mit einer Entwicklung der Schrift und Mathematik seit der Antike und geht über in einen Bereich mit den ersten mechanischen Maschinen.
Erste Schreibmaschine "Typographer" von William Burt aus 1829 (Nachbau).
Links eine der ersten elektrischen Schreibmaschinen, rechts eine Schreibmaschine von Sholes & Glidden. Damit sich die Typen (Buchstabenstempel) beim schnellen Tippen nicht miteinander verhaken, legte man die oft nebeneinander in Wörtern vorkommenden Buchstaben auf der Tastatur weit auseinander - so entstand das QWERTY-Layout, welches bis heute an Computertastaturen zu finden ist.
Die ersten Diktiergeräte, wie dieses Dictaphone, kamen in den 1890ern in amerikanischen Büros auf. In den Trichter gesprochener Schall wurde auf eine rotierende Wachsrolle eingeritzt und vom Fräulein im Vorzimmer von einem Abspielgerät anschließend wieder abgespielt und als Text auf Schreibmaschine abgetippt.
Nachbau eines Telefons von Philipp Reis aus 1863.
An solchen Klappenschränken saßen die Fräulein vom Amt, nahmen Anrufe entgegen und vermittelten durch Zusammenstecken der Leitungen zum anzurufenden Teilnehmer. Später dann setzten sich Selbstwählvorrichtungen wie die Wählscheibe an diesem W48-Nachkriegstelefon durch. Lustigerweise habe ich selbst auch ein W48 hier auf meinem Schreibtisch. Noch komplett funktionsbereit und angeschlossen an der Fritzbox. Und wenn mir danach ist, dann telefoniere ich damit auch gerne mal noch.
Eine spannende Entwicklung von der ersten Elektrodenröhre über den ersten Transistor zum ersten integrierten Schaltkreis und bis zum ersten Intel-Mikroprozessor 4004.
Der Arbeitsplatz einer Platinenbestückerin in den 70ern bei Nixdorf.
Nachstellung eines typischen Rechenzentrums jener Zeit.
Was mir bisher gar nicht bekannt war: Nixdorf hatte schon 1984 die Idee zu einem E-Bike. Dieses wurde von den Ingenieuren daraufhin auf Basis eines handelsüblichen Damenrads entwickelt, kam aber aufgrund des Tods des Unternehmers 1986 nie zur Marktreife.
Im 2. OG befindet sich auch eine Ausstellung zur Entwicklung der Robotik. Mit mal mehr, mal weniger unheimlichen Gestalten.
Die Zuse Z11 aus 1958 war ein programmgesteuerter Relaisrechner für vielfältige mathematische Berechnungen. Mal ein paar Daten als Vergleich zu heutigen Computern: 800kg Gewicht, 2000W elektrische Leistung, rund 120.000 DM Verkaufspreis und ca. 10..20 Hz Taktfrequenz. Wohlgemerkt Hertz, nicht Gigahertz oder Megahertz!
Und wo wir gerade bei Vergleichen sind: das kupferfarbene Ding hier in der Bildmitte hat die Ausmaße einer Waschmaschinentrommel, wurde auch Trommelspeicher genannt und war die "Festplatte" einer Univac 490 aus 1961. Mit ganzen 1,25 MB. Also knapp das, was auf eine einzelne 💾-Diskette passt.
Schon etwas fortschrittlicher wirkt da dieser NASA-Computer aus der GEMINI-2-Mission aus 1965, welcher für zielgenaues Manövrieren der Raumkapsel zuständig war.
Dieses IBM Modell 5150, gehört zu den jüngsten Museumsexponaten aus der Geschichte der Personal Computer.
Reichlich kurios mutet heute das Datenklo an. Ein Eigenbau-Telefonmodem nach Bauanleitung des Chaos Computer Clubs.
Impressionen aus dem Museum.
Die Art der Ausstellung sowie die gezeigten Exponate im Museum gefielen mir recht gut, auch wenn man wenig geleitet wird und sich selbst seinen Rundgang finden muss. Dadurch drängen sich aber auch nie viele Besucher an einzelnen Stellen. Das Gebäude ist riesig - nicht ohne Grund nennt es sich das größte Computermuseum der Welt - aber es wird auch viel Platz offen gelassen. Die Dichte an Ausstellungsstücken ist folglich nicht überfordernd und man kommt mit einem halben Tag gut durch das ganze Museum. Was ich vermisst habe, ist die jüngere Geschichte der Computer bis heute. Die Ausstellung endet quasi in den 80ern was die Computerentwicklung belangt und es schien mir, als ob das Museum den Siegeszug der PCs genauso verkannt hat, wie damals Heinz Nixdorf. Letzteres führte seinerzeit in Konsequenz schließlich zum Niedergang des Unternehmens. Dem Museum wünsche ich eine glücklichere Zukunft, denn es ist ein lehrreicher und spannender Ausflug für jeden Technikinteressierten.